Natürlich hier.

Stiftungsland Johannestal

Ein Leben am Abgrund - die Ökorasenmäher vom Johannistal. Keine Bange, die bis zu 22 Meter hohe Steilküste und Wilde Weide mit ihren Galloways sind mit einem Zaun voneinander getrennt. Anders als die Touristen im nahegelegen Heiligenhafen sind die Rinder hier nicht zum Urlauben. Mit ihrem Appetit auf Grünzeug sorgen sie dafür, dass zahlreiche Kräuter sprießen. So wird der Besuch im Stiftungsland zu einem wirklich würzigen Naturerlebnis.

Es liegt was in der Luft…

Im Sommer weht ein würziger Duft über Heiligenhafens Steilküste: Oregano, Thymian, Schlangenlauch und Heilwurz wachsen auf den mageren Kalktrockenrasen an der Ostsee. Die Steilküste im Stiftungsland Johannistal gehört zu einem der schönsten Küstenabschnitte der schleswig-holsteinischen Ostseeküste. Nirgends ist die Abbruchkante so steil und bei klarer Sicht kann man von hier oben sogar die Südspitze Langelands sehen.

Am Himmel brummt´s

Über dem duftenden Blütenmeer der Heil- und Würzkräuter tummelt sich eine Vielzahl gefährdeter Insekten. Mehr als 100 verschiedene Hummel- und Bienenarten summen im Sommer auf der Suche nach Nektar herum. Einige kommen in ganz Deutschland nur hier vor. Der Insektenreichtum freut wiederum die Zauneidechse oder Vögel wie die Uferschwalbe, die ihre engen Brutröhren in die Abbruchkante graben. Eine der größten Brutkolonien Schleswig-Holsteins ist hier zu Hause.

Auch andere Vogelarten wie Fink, Merlin, Kornweihe oder der Wanderfalke werden von dem strukturreichen Grünland im Johannistal angezogen. Bei der Nahrungssuche sind Rotschenkel und Kiebitz zu beobachten.

Blütenbunte Weideflächen

Die Pflanzengesellschaft glänzt mit der kostbaren Heilwurz: Sie kommt weltweit nur auf den kalkreichen Steilküsten der Ostsee vor. 170 Arten, 80 davon stehen auf der Rotenliste bedrohter Arten, darunter extrem seltene, wie Taubenskabiose, Schlangenlauch, Echte Schlüsselblume, Ackerrittersporn und Venuskamm, wachsen hier. Dazu kommen Wilde Möhre, Feldthymian, Golddistel, Ochsenzunge und Skabiosen-Flockenblume. Aus den freigelegten Samenbanken der ehemaligen Klein-Gewässer sind Ufer- und Wasserpflanzen, wie Schwimmendes Laichkraut, Roter Wasser Ehrenpreis, Gewöhnlicher Igelkolben und Armleuchteralgen, gekeimt.

Weidetiere sorgen auch für Frösche

Damit die oft kleinen und konkurrenzschwachen Pflanzen ihren Blütenteppich ausbreiten können, wird das Gelände von Galloways ganzjährig, also auch im Winter, beweidet. Das Hinterland der Steilküste geht in sanft geschwungene Hügellandschaft über. In den abflusslosen, lehmigen Senken, sammelt sich seit der Renaturierung wieder das Regenwasser. In heißen Sommern trocknen sie auch mal aus: Denn so ist garantiert, dass die Amphibientümpel frei von Fischen bleiben, die sich nur allzu gern an Froschleich satt essen. Ein Vorteil für Kammmolch, Rotbauchunke, Laubfrosch und Knoblauchkröte – allesamt europaweit geschützt –, die hier bald wieder stabile Populationen bilden werden.

Vom Weizenacker zum Naturparadies

Als die Stiftung Naturschutz 2003 begann, Flächen zu erwerben, wurde noch bis an die Abbruchkante der Steilküste geackert. Nur ein schmaler Streifen war der ursprünglichen Vegetation vorbehalten. Besonders problematisch für die trockenen Magerrasen sind die Düngereinträge aus der intensiven Landwirtschaft. Wie ihr Name schon sagt, mögen es die Pflanzen dieser Lebensgemeinschaft mager, also nährstoffarm. Wo einst Acker war, dominiert jetzt artenreiches Grünland.

Davor mussten die Vielfaltschützer ordentlich in die Hände spucken. Fichten wurden gefällt, heimische Gehölze gepflanzt und ein neuer Knick aufgesetzt. Eine 130 Hektar große Wilde Weide eingerichtet, auf der über 30 neue oder wiederhergestellte Krötenteiche entstanden sind. Um die Weideflächen insektenfreundlich zu gestalten, wurde Mahdgut aus dem benachbarten Putlos und zusätzlich Regiosaatgut ausgebracht. Für Zauneidechsen entstand ein 280 Meter   langer Steinwall und 30 neue Steinquartiere. Offene Bodenstellen optimieren den Lebensraum von Amphibien, Wildbienen, Reptilien und Steinschmätzer.

Mikroklima wie in der Steppe

Wo einst Raps und Weizen angebaut wurden, ist jetzt die Natur zurückgekehrt. Gleichzeitig öffnet sich hier ein Fenster in die Entstehungsgeschichte Schleswig-Holsteins: Die Pflanzen und Tiere leben hier seit rund 10.000 Jahren. In einer Wärmephase am Ende der Eiszeit sind sie durch das noch baumfreie Mitteleuropa aus den südosteuropäischen Steppengebieten hierher gelangt. Den entscheidenden Hinweis auf das hohe Alter der trockenen Grasfluren an der Steilküste gab eine kleine, unscheinbare Schnecke – die Wulstige Zylinderwindelschnecke. Ihr uns nächstgelegener Lebensraum ist die ungarische Steppe. Aus zwei Gründen haben die Wärme liebenden Offenlandarten so lange überlebt: Wald konnte aufgrund des ständigen Abbruchs an den Steilhängen nie Fuß fassen; an der Steilküste fällt weniger Regen und die Sonne scheint länger. Damit ist es wärmer als im übrigen Schleswig-Holstein.