Natürlich hier.

Stiftungsland Sehlendorfer Binnensee

Die Sonne wärmt schon! Möwenrufe erfüllen die Luft. Teich- und Schilfrohrsänger, signalisieren ihre Brutreviere aus dichtem Brackwasserröhricht. Feldlerche und Wiesenpieper, Brutvögel der Graudüne, tragen ihre Gesangsflüge vor und stellen sichtbar ihre Revieransprüche dar. Flussseeschwalben stürzen sich todesmutig vom Himmel in die Lagune, um Fische zu fangen, und werden an ihrem Brutfloss lautstark erwartet. Nicht zu vergessen: die leichte Brise, die vom Meer weht. Das sind die Zutaten für einen typischen Sommermorgen im Stiftungsland Sehlendorfer Binnensee in der Hohwachter Bucht.

Mal süß – mal salzig: eine typische Lagunenlandschaft

Ein kleiner Gewässerlauf - der Broeck - verbindet den Sehlendorfer Binnensee mit der Ostsee. Damit ist der Strandsee eine der letzten weitestgehend intakten Ostseelagunen. Bei hohem Wasserstand in der Ostsee strömt Salzwasser ein und vermischt sich mit dem Süßwasser aus dem Hinterland zu Brackwasser – heute eine Besonderheit an der ansonsten weitgehend abgedeichten Ostsee.

Die rund 90 Hektar große Wasserfläche der Lagune  ist ein wichtiges Rast- und Brutgebiet für Wasservögel. Das extensiv beweidete Grünland ist Lebensraum von Wiesenvögeln. Im Gebiet brüten Säbelschnäbler und Rotschenkel, Brand- und Graugans, Stock- und Schnatterente, Blau- und Schwarzkehlchen, Gänse- und Mittelsäger, Fluss- und Zwergseeschwalbe sowie Bartmeise, Rohrammer, Teichrohrsänger, Dorngrasmücke, Feldlerche, Wiesenpieper, Sandregenpfeifer und Wasserralle. Aber auch Austernfischer, Großer Brachvogel, Grünschenkel, Kiebitz, Bekassine, Gold- und Kiebitzregenpfeifer, Grau- und Silberreiher, Kormoran, Hauben- und Zwergtaucher, Höcker- und Singschwan sowie weitere Enten-, Gänse- und Möwenarten lassen sich von der Aussichtsplattform beobachten. Das Gebiet wird zudem regelmäßig vom Seeadler, der gern über der Wasserfläche jagt, und dem Kranich, der inzwischen jeden Herbst eine Rast einlegt, aufgesucht.

Die Attraktion: Brutfloß der Seeschwalben

Das Brutfloß als Nisthilfe für Flussseeschwalben  unweit der Beobachtungsplattform in der Tivolibucht begeistert nicht nur die geschickten Stoßtaucher, sondern auch viele „Vogelkieker“. Bis zu vierzig Paare kreischen auf und über der künstlichen Brutinsel. Sie dient ihnen als Ersatz, nachdem die alte, natürliche Brutinsel durch Wind und Wasser soweit abgetragen wurde, dass jeder Brutversuch durch Hochwasser zunichte gemacht wurde. Im Frühjahr sind zwei weitere dieser Flöße auf dem See dazugekommen und das bestehende erneuert worden.

Auch sonst bietet die Plattform beste Möglichkeiten, um das Verhalten vieler Vogelarten zu studieren. Austernfischer, Rotschenkel und andere Limikolen sind dabei zu beobachten, wie sie mit ihren spitzen, langen Schnäbeln Jagd auf Seeringelwürmer, Krebse und Muscheln im Sandschlick machen. Zur Zugzeit gesellen sich Kraniche, Tausende von Graugänsen und Schwärme von Goldregenpfeifern zu zahlreichen anderen gefiederten Gästen, die auf den Salzwiesen rasten. Ein besonderes Spektakel ist es, wenn der Seeadler segelnd das Gebiet inspiziert und die komplette Schar von Wasservögeln zum Auffliegen zwingt.

Wanderweg gewährt Einblicke in die Pflanzenwelt

Von einem Wanderweg aus, der von Hohwacht nach Sehlendorf führt, lassen sich weite Teile der Landschaft überblicken. Botanisch bemerkenswert ist auf diesem Weg das Brackwasser-Röhricht in der Platenbucht. Salztolerante Pflanzen wie Schilfrohr, Gewöhnliche Strandsimse und Salz-Teichsimse begleiten die stattlichen Stauden der Arznei-Engelwurz mit ihren großen weißen Blütendolden und die gelbblühende Sumpf-Gänsedistel. Eine botanische Rarität ist der Echte Eibisch . Er kommt hier in beachtlichen Beständen vor.

Auf dem Strandwall gedeihen Silbergras, Sand-Segge, Scharfer Mauerpfeffer und anderen Spezialisten für das Überleben an trockenen und oft sehr heißen Standorten. Diese Pflanzengesellschaft lässt sich besonders gut von einer Aussichtsplattform [A] aus einsehen, die gleichzeitig einen Überblick über die Bucht und den Mündungsbereich des Broeck ermöglicht. In den älteren Dünen wachsen neben Strandhafer und Strandroggen noch die seltenen Stranddisteln. Ihre wachsüberzogenen, dornig zugespitzten Blätter schützen sie vor Austrocknung. Die blauen Blütenköpfe sind beliebte Ziele für Schmetterlinge und Wildbienen.

Der etwa 470 m breite zum Naturschutzgebiet gehörende Strandabschnitt, der auch den Ausfluss des Broeck umfasst, ist für Besucher gesperrt, um Strandbrüter wie Sandregenpfeifer und Zwergseeschwalbe, aber auch den extrem seltenen und vom Aussterben bedrohten Küsten-Sandlaufkäfer zu schützen. Hier können sich auch Meerkohl, Meersenf, Stranddistel, Kali-Salzkraut und Salzmiere ungestört entfalten. Ausgedehnte Salzwiesen säumen die Tivolibucht. Häufige Überschwemmungen durch einströmendes Ostseewasser bringen Queller, Strand-Sode, Strand-Milchkraut, Salz-Schuppenmiere und anderen salztoleranten Arten überlebenswichtige Standortvorteile.

Vom Campingplatz zum Tummelplatz für Küstenkröten

Ein Meilenstein in der Entwicklung des Gebietes war der Erwerb des Campingplatzes Tivoli durch die Stiftung Naturschutz im Jahr 2003. Wo einst Urlauber der Natur den Platz streitig machten, haben jetzt zottelige Highlandrinder zusammen mit Kreuz- und Wechselkröten in der neu angelegten Dünenlandschaft das Regiment übernommen. Im Rahmen des Naturschutzprojektes „LIFE-BaltCoast“,  finanziert mit Mitteln aus der EU, hat die Stiftung Naturschutz wie hier am Tivoli Küstenlebensräume renaturiert.

Im Naturschutzgebiet Sehlendorfer Binnensee wurden nach Abzug der Camper Versorgungseinrichtungen abgebaut und Wege samt Betonplatten abgeschoben, um anschließend die ehemalige Dünenlandschaft mit ihren feuchten Senken wiederherzustellen. Perfekte Lebensbedingungen für die Rückkehr der „Küstenkröten“: Kreuz- und Wechselkröten benötigen die Kleingewässer für das Laichgeschäft und die Larvenentwicklung. Tagsüber vergraben sich die erwachsenen Tiere im Sand und gehen nachts auf Jagd, wobei der kleintierreiche Spülsaum ein häufig aufgesuchtes Ziel ist.

Außerdem haben seltene Pflanzen wie Silbergras, Sand-Lieschgras, Frühe Haferschmiele, Zypressen-Wolfsmilch, Kleines Habichtskraut, Erdbeer-Klee, Gewöhnliches Tausendgüldenkraut und Ochsenzunge auf dem Tivoli einen neuen Siedlungsort gefunden.

Landschaftspflege: Vierbeiner mit wuchtigen Hörnern

Statt aufwendiger Pflege per Hand halten Schottische Hochlandrinder den Bewuchs auf den Salzwiesen und den Trockenrasen des Tivoli rund um die Amphibientümpel kurz – optimale Bedingungen für Flora und Fauna. Die Tümpel werden nicht beschattet und erwärmen sich im Frühjahr schneller. Ein deutlicher Vorteil für die Fortpflanzung der Amphibien. Ein Plus auch für die kleinen lichtliebenden Pflanzen, die zwischen hoch aufwachsenden Nachbarn und in einer verfilzten Krautschicht keine Chance hätten.

Die Robustrinder, die auch im Winter hier unterwegs sind, können über einen Querpass, der den Wanderweg zwischen Sehlendorf und Hohwacht kreuzt, zwischen Salzwiese und Trockenrasen wechseln. Begegnungen mit den zotteligen Vierbeinern, die trotz ihres imposanten Kopfschmucks als äußerst friedfertig gelten, sind ungefährlich. Direkter Körperkontakt sollte aber vermieden werden.